In seinem Lebenswerk hat Medientheoretiker Friedrich Kittler (1943−2011), die Geschichte der Dichtung, der Philosophie, ja der Kultur als solche vom Kopf auf die Füße ihrer technischen und vortechnischen Medien gestellt. Was Aufschreibesysteme für die Literatur, was Befehlssätze für programmierbare Maschinen, das ist den Göttern das elementarste Medium im lateinischen Wortsinn von elementa: Buchstaben. Das Symposion »Götter und Schriften rund ums Mittelmeer«, noch zu Lebzeiten von dem deutschen Medientheoretiker Friedrich Kittler selbst vorbereitet, widmet sich dieser Hypothese. Wie bestimmen die Kontakte, Konkurrenzen, Innovationen der verschiedenen Schriften und Alphabete seit der frühesten Antike rund ums Mittelmeer die zukünftigen Geschicke des Abendlands? Seit dem Neolithikum gibt es im Mittelmeerraum Kulturen, deren Alphabete eng an Verwaltung und Handel, Befehlsflüsse und Gesetze gebunden sind, aber auch eine Kultur, die ihr Alphabet aus dem Schreiben von Musik und Gesangsvortrag, Vers und Götteranrufung schöpft. Einige Schriften des Mittelmeers − in Keilen, Bildschriftzeichen, Silbenschriften dargestellt − sind graphisch orientiert. Sie schreiben von den Worten der Sprache meist Konsonanten oder Konsonantengruppen. Andere, wie das griechische Alphabet, das als erstes der Welt auch Vokale schreibt, sind phonetisch orientiert und damit prinzipiell auf jede Sprache übertragbar. Mächtige Gesetzesgötter einerseits strafen und befehlen. Der Verkehr mit ihnen wird gesetzlich geregelt. Andererseits gibt es Götter, die an- und abwesend sind. Der Verkehr mit ihnen wird nicht verwaltet, sondern begangen. Wie sind diese verschiedenen Ausgestaltungen der Götterwelten in den Schriftsystemen widergespiegelt?
Podchaser is the ultimate destination for podcast data, search, and discovery. Learn More